Sonntag, 7. August 2016

Heir Island, Cape Clear, Horse Ridge...


...alles Namen, die wir ganz allmählich in unseren seglerischen Erfahrungsschatz aufnehmen. Um die Insel Heir zum Beispiel sind wir nun schon so oft herum gesegelt, aber erst kürzlich waren wir das erste Mal an Land (wenn Jens von einem Kurzaufenthalt zu einer Regatta im letzten Sommer absieht).
Heir erinnert zum Teil an die dänischen Ostsee-Inseln: Heckenrosen und Kiefern, Sandstrände, Felder und Wiesen. Ein frischer Wind um kleine, freundlich helle Häuser. Wilde Blüten und der Geruch von frischem Seetang.



Auf der Insel gibt es außer Natur nicht viel zu sehen; zwei kleine Kunstgalerien gibt es, einen kleinen Laden an der Sommer-Segel-Schule. Dazu Ferienhäuser, die alte Volksschule und einen Acker, auf dem zu unchristlichsten Zeiten die ungetauften Totgeburten, Frühchen und Babies heimlich verscharrt wurden, die das Pech hatten, vor ihrem unverschuldeten Tod noch keinen (Festland-)Priester zu Gesicht bekommen zu haben. Grausame Sitten an einsamer Stätte.
Einsam ist die Insel nicht; fast in jeder Himmelsrichtung ist entweder eine andere Insel oder das Festland zu sehen. Trotzdem fühlt sich der sensible Besucher ein wenig verloren. Und steht bzw. sitzt er auf den Klippen im Nordwesten der Insel, freut er sich, wenn er nicht ganz allein ist.
Heir Island ist heute die Heimat von etwa 25 Menschen. Es waren einmal 400, die überwiegend vom Fischfang und den damit verbundenen Arbeiten lebten. Gegenwärtig wird kaum noch von der Insel aus gefischt, aber ein Bootsbauer lebt dort vom Bau und den Reparaturen der über die Grenzen West Corks bekannten Heir Island Sloops. Ansonsten kommen Touristen und buchen gerne im nur Mittwochs geöffneten Spezialitäten-Restaurant einen der wenigen begehrten Plätze am Tisch. Die wenigen Tagestouristen kommen und gehen meist unbemerkt...
Anders ist das auf Cape Clear, früher Clear Island genannt. Genauso wie Heir Island ist die Insel zweigeteilt; im Gegensatz zur ersteren ist Cape Clear jedoch sehr hoch, und der Einschnitt ("Waist" genannt) zwischen den beiden Inselhälften bildet neben einem Platz für die kürzeste Straßenverbindung zwischen Nord und Süd die beiden nach den Himmelsrichtung benannten Häfen. Im North Harbour waren wir schon ein paar Mal mit der Jolle, und einmal blieb es beim vergeblichen Versuch. Der Hafen ist unter Segeln nämlich schwer anzulaufen - durch die Verwirbelungen zwischen den hohen Klippen kommt der Wind von überall her, aber nie für längere Zeit aus der selben Richtung.
Beim letzten Mal jedoch haben wir es hinein geschafft und sind über Nacht geblieben. An einem Fischerboot festgemacht, konnten wir den Tidenhub von über drei Metern bequem ohne längere Leinen verschlafen.
Die knapp 20 Quadratkilometer große Cape Clear ist nach dem Aderlass der Famine heute  von immerhin hundert Menschen bewohnt und präsentiert sich als Gaeltacht, was sich schon am Hafen in Form von ausschließlich gälisch-sprachigen Schildern ausdrückt. Allerdings wird auch englisch gesprochen - kein Wunder bei der Menge von Touristen, die zum Beispiel auch das jährlich im August statt findende "Cape Clear Island International Storytelling Festival" besuchen. Die Insel ist der südlichste bewohnte Teil Irlands, und wohl auch deshalb für viele Besucher ein Magnet. Die Gegend um den Hafen herum ist immer sehr belebt, zwei Pubs profitieren davon reichlich - natürlich nur während der Saison. Im Winter kommt es vor, dass keiner der beiden Häfen anzulaufen und die Insel somit von der Außenwelt abgeschnitten ist.
Auf unseren Segeltouren durch die Carbery's Hundred Isles (so heißen die tatsächlich etwa hundert Inseln der Roaring Water sowie Long Island Bay) stehen wir oft vor der Frage, auf welchem Weg wir zurück in die Rossbrin Cove an unseren Liegeplatz kommen: Von Westen, mit Horse Island an Steuerbord? Oder von Osten, was sich insbesondere anbietet, wenn wir aus der Richtung Baltimore kommen. Dann gucken wir in den Tidenkalender, um nachzusehen, ob genug Wasser über dem Horse Ridge steht.
Horse Ridge bei extremen Niedrigwasser
Bei ruhigem Wetter trauen wir uns auch bei niedrigem Wasserstand über die Furt: Dann heben wir vielleicht das Schwert des Bootes an und gucken fasziniert auf den Grund, sehen die langen Fäden der Spaghetti-Algen im Strom stehen und die kabbeligen Wellen an der Stromkante, wo das Wasser aus der Tiefe auf den flachen Rücken trifft. Oder wir ziehen das Schwert durch den Algenwald und merken an den ruckartigen Bewegungen, wie das Boot sich hindurch arbeitet.
Vorige Woche jedoch - auf der Rückfahrt von Cape Clear - haben wir dort einfach einmal den Anker geworfen und für eine Stunde die Szenerie betrachtet. Außer einer Familie, die kurz nach uns dem Zauber des wellenumspülten Strandes erlag, gab es weiteren Besuch:
https://youtu.be/goQ05U6ZF7s
Der Hund am Strand macht uns als erstes aufmerksam; ob er zuerst die Seehunde bemerkt hat oder jene ihn, konnten wir nicht erkennen. Die Aufregung war auf beiden Seiten für einige Sekunden groß.
Nachdem die Tiere das Interesse an einander verloren haben, schwammen die Seehunde ihres Weges an der Godenwind vorbei um die Landzunge herum. Dorthin blickend, sahen wir Bewölkung von Süden aufkommen. Also würde sich das Wetter - wie vorhergesagt - rapide ändern. Wir setzen das Vorsegel, krochen die letzte Meile zu unserer Muringboje und trotteten in der Mittagshitze nach Hause. Und dann kam der Nebel, und der wärmste Sommertag hatte ein plötzliches Ende. Von See her hörten wir jede Minute das Nebelhorn des Fastnet Rocks...
Nebel über Cape Clear