Sonntag, 6. März 2016

Die schönen Gesichter des Winters

(ein Post von Jens)


Vielen von uns steht er bestimmt schon an der Oberkante der Unterlippe - der Winter. Aber wenn zwischendurch dann doch einmal die Sonne heraus kommt und der Regen für eine Weile Pause macht, dann gibt es auch im winterlichen Irland fantastische Eindrücke festzuhalten.

Dieses Mal werden wir Euch zu den einzelnen Fotos ein wenig mehr erzählen - wie es zur Aufnahme kam, eine damit verbundene kleine Geschichte oder ob und wie das Foto hinterher bearbeitet wurde. 


Das Loop Head befindet sich im County Clare und bildet die lange Küstennase nördlich der Shannon-Mündung. 
Von See her hängt diese markante Steilküste unvergesslich mit meiner ersten Begegnung mit Delfinen im Nordatlantik zusammen. Von Land her jedoch bietet dieser Landstrich wenig besonderes - wenn man einmal von dem Licht absieht, das an diesem Februartag 2015 Merten und mich dermaßen faszinierte, dass wir einfach auf dieser langen geraden Straße hielten.
In der Nachbearbeitung war mir wichtig, dass Licht und Schatten so zu sehen sind, wie sie uns vor einem Jahr erschienen - ohne den Vordergrund zu dunkel werden zu lassen. Ich habe deshalb die Kontraste etwas heraus genommen und ein wenig mit Licht und Schatten experimentiert.

Zu jedem Bild gibt es eine Geschichte, heißt es manchmal. Zum folgenden gibt es gleich mehrere. Zum einen war dieser Ort eine Zeitlang unsere favorisierte Gegend auf unserer Haussuche - und noch immer fasziniert uns die Aussicht von hier oben. Zum zweiten sieht man auf diesem Bild ein Haus, das bereits auf einem früheren Blog-Eintrag auf einem Foto zu finden ist. Es ist das ehemalige "Mine Captains House", das heißt, es wurde dem Leiter der Cappaghglass Kupfermine gestellt, die damals eine sehr erfolgreiche gewesen ist.
Auch bei diesem Gegenlichtbild habe ich mit Licht und Schatten experimentiert. Das Hauptaugenmerk war für mich, das dramatische Wolkenspiel über den Inseln der Roaring Water Bay einzufangen.

Ähnliches gilt für das folgende Bild vom Caha Pass: sonnenbeschienene Wolken, Inseln mit dem sie in unterschiedlichen Schattierungen umschließenden Meer. Dazu das winterliche Rotgelb der Gräser und Farne, wie es in den mittleren Lagen üblich ist.
Der Caha Pass verbindet die beiden Counties Kerry und Cork und bietet den kürzesten Weg zwischen den größeren Küstenorten Kenmare und Bantry. Wer hier im Frühjahr bis Herbst unterwegs ist, sollte gehörig aufpassen: Neben den üblich langsamen Leihwagen mit Dubliner Kennzeichen sind hier dann vor allem Fahrradfahrer unterwegs, welche die Höhe von 332 Metern als Herausforderung suchen. Bei beiden Kategorien noch beliebter in dieser Gegend ist jedoch das nördlich von Kenmare gelegene Molls Gap. Umsomehr schätzen wir, wenn wir schließlich den Anblick oben sehen, der uns signalisiert: Bald sind wir wieder zuhause.

Zuhause ist nach wie vor hier - an der Rossbrin Cove. Der Name hat mit den hier oft weidenden Pferden keinen Zusammenhang. Er leitet sich ab vom irischen "Ross Broin" und bedeutet soviel wie Broins' Landzunge. Dieser Name wiederum ist nur auf den südwestlichen Teil der Bucht bezogen - große Teile des Buchtufers gehören zum östlich von Rossbrin gelegenen Landgut Cappaghglass.
Wer das Bild wegen der Narzissen dem Frühjahr zuordnen möchte: Hier wachsen die zu Tausenden seit Mitte Februar.
Bis vor kurzem sah es aber oft eher so aus:
Na ja - nicht ganz so dramatisch vielleicht. Aber das Bild hat einfach gereizt, mal einen Effekt einzusetzen. Sieht doch klasse aus, oder?

Tatsächlich sah es eher so aus - wenn das bei dem scharfen Wind mit den Augen überhaupt zu erkennen war; zum Glück tränen einer Kamera dieselben nicht :-) 
Was fast als Schwarz-Weiß-Foto durchgehen könnte, hat lediglich eine sehr hohe Auflösung und etwas Regulierung der Hell/Dunkelanteile bekommen. Ach so: Die Bilder stammen von der Nordküste der Mizen Halbinsel.


Wer in Irland Schnee sehen möchte, wird nicht enttäuscht. Die schneebedeckten Berge in Kerry können wir bei guter Sicht von unseren Hügeln in der Umgebung sehen. Der Schnee auf den Bergen von Connemara im County Mayo hat mich trotzdem überrascht, als ich im letzten Februar mit Merten dort unterwegs war. Das Wetter war bereits so frühlingshaft...
Das Foto wirkt dadurch, dass ich den Sättigungsgrad und die Kontraste erhöht habe; wieder sieht man die typischen Winterfarben Irlands (wie sie bei Sonne vermutlich auch ohne die beschriebene Manipulation herausgebracht hätte). 


Das Farranamagh Lough ist eine wunderschöne Bucht an der Südküste des Sheeps Head. Eine Gegend für Wanderer - und Fotografen. Um die von mir immer wieder gerne genutzten Gegenlicht-Effekte des verschatteten Vordergrunds zu mindern, habe ich an Licht und Schatten gearbeitet und etwas den Sättigungsgrad heraufgesetzt.


Das gleiche gilt für das folgende Foto der Roaring Water Bay mit ihren Bojenfeldern, auf denen Muschelkulturen gezüchtet werden. Die kleinen Inseln im rechten Teil des sonnigen Bereichs heißen Carthy Islands und sind vielleicht der verzaubertste Flecken der ganzen Bucht: Ein kleiner Haufen von Inselchen, die zusammen einen fast perfekten natürlichen Hafen bilden. Weil die Inseln unbewohnt sind, können hier in Ruhe alle Arten von Tieren und Pflanzen gedeihen. Am schönsten ist es, den Robben beim Aufziehen ihrer Jungen zuzusehen...

Ganz anders sieht es am größten Strand der Mizen Halbinsel aus. Die Barley Cove ist eine weitläufige Dünenlandschaft, die ihren Ursprung durch den Tsunami hat, welcher auch das zerstörerische Erdbeben in Lissabon 1755 verursacht hat. Die Strandliebhaber in Irland dagegen haben von dieser Naturkatastrophe profitiert, und die Barley Bucht ist heute ein Biotop mit vielen Vogel- und vor allem Grasarten. Ein Fluß mündet in die Bucht und gibt der Dünenland im Wechselspiel mit Ebbe und Flut immer wieder einen neues Aussehen. Mich interessierte an diesem kalten Februarabend jedoch (wie eigentlich immer) mehr der Blick in die Ferne. Wenn dann noch die Wolken so dramatisch zerfetzt daher kommen, ist es um mich geschehen - dann muss ich das zehntausendste Foto dieser Art schießen. Auch hier musste ich nur ein wenig mit Licht und Schatten herumspielen.

Zum Schluss komme ich noch einmal zurück nach Rossbrin - dort wo alles angefangen hatte. Mit diesem Anblick verbindet sich so vieles unserer Irland-Geschichte: Das Meer, das uns fasziniert. Eine geschützte Bucht, die unserer "moonchild" als Ankerplatz dienen kann. Eine Pier. - Die Pier, die wir von unserem ersten gemieteten Haus aus sehen konnten. Die Mädchen, die an einem kalten April-Abend von hier aus ihr erstes Bad des Jahres nahmen. Die Bucht, von der aus die "Godenwind" zu den vielen Inseln der Roaring Water Bay getragen hat. Die Bucht, an der wir leben...