Sonntag, 7. Juni 2015

"Percussion" oder "Auf was man so alles einschlagen kann"


Seit einigen Monaten betrachten wir uns als Teil eines besonderen künstlerischen Gesamtkonzepts. Unter verschiedenen Bezeichnungen verbindet uns mit unserem Freund Thomas vor allem eines: Die Lust am Musik-Machen.
Thomas ist ein Tausendsassa. Es fängt damit an, dass vor seinen Augen alles, aber auch wirklich alles von Wert ist. Einerlei ob es das schüchterne "Das kann ich nicht" eines Mitmenschen ist, das er in ein "Ich probiere es einfach mal aus"  zu verwandeln vermag - oder ob es sich um einen weggeworfenen Gegenstand unserer (ja, auch der irischen!) Wohlstandsgesellschaft handelt.
Kommt man bei Thomas zu Besuch, sieht man bereits an der Straße, worauf man sich ungefähr gefasst machen beziehungsweise freuen kann: Hier wird Dein Horizont erweitert! Ausgediente, bemalte Verkehrs-Warnhütchen (offiziell "Leitkegel") säumen den Weg zu Thomas "Nature Trail" in Ballybawn (oder je nach Schreibweise "Ballybane"). Je näher man Thomas' Cottage kommt, desto dichter wird die Ansammlung von skurrillen und originellen Objekten: Allerlei ausgediente technische Geräte finden sich neben unüberschaubaren Mengen von Fendern und Fischerbojen (deren Anziehungskraft auch unsere Sammelwut bereits vor einer Weile entfacht hat). Viele Gegenstände sind mit sinnreichen (oder auch -losen) Sprüchen verziert, neuen Bestimmungen zugedacht oder bis zur Unkenntlichkeit verfremdet. Dazu begegnet dem aufmerksamen Besucher auf Schritt und Tritt Thomas' feinsinniges Spiel mit den beiden sein Leben begleitetenden Sprachen. Poesie muss kein dunkles Dasein in Büchern fristen!
Ein besonderer Teil seines großen Grundstücks ist ein alter Farnwald, der "Magic Forest". Der Wald ist sich weitestgehend selbst überlassen - die Pfade zu verschiedenen, mit Namen wie "Natural High", "Gallery" oder "Sound Space" versehenen Orten, lassen den Besucher sich in einem Urwald fühlen. Die Bäume wachsen hier zwar nicht in den Himmel, aber in den Weg. Umso langsamer man deswegen voran kommt, desto aufmerksamer beachtet man die Details. Und wenn dann noch die Bluebells (zu deutsch "Atlantisches Hasenglöckchen") blühen...
Zu weiteren Informationen zu Thomas' Grundstück verweisen wir gerne auf den Blog von unseren benachbarten Bekannten Finola und Robert http://roaringwaterjournal.com/2015/05/10/magic-forest/ sowie auf Thomas' eigene Webseite http://www.cosmicradio.info/magicforest.html

Was uns beide betrifft, so genießen wir hauptsächlich das gemeinsame Musizieren - wenn man es so nennen mag. Im Grunde genommen ist es das freie Spiel auf zum großen Teil selbst gemachten Instrumenten, deren Thomas mit Sicherheit Hunderte sein eigen nennt. Ein großer Teil davon steht im "Sound Space" des "Magic Forest" zur freien Verfügung - und wir haben dort schon mehrere gemeinsame Sessions gespielt.
im "Sound Space"
Die Instrumente sind sowohl ausgediente und aufgeschnittene Plastik-Fässer - wie sie von den Muschelfarmern in der Roaring Water Bay benutzt werden, als auch Haushaltsgegenstände (vorzugsweise aus der Küche!) wie Pfannen, Töpfe, Thermoskannen, Tabletts, Grillroste oder Vasen (aus Metall natürlich). Auch Stein und Holz können aussergewöhnlich gute Töne hervorbringen - ohne dass sie dafür aufwendig zu Konzertsaal-Musikinstrumenten verarbeitet werden müssen. Das Verständnis für Akustik und Resonanz wächst ohne die übliche Hemmschwelle für eine delikate Stradivari oder das Respekt einflössende Klavier - mit dem Moment, den das ausgediente gedrechselte Stuhlbein braucht, um auf ein weiteres grobes Holzstück zu treffen. Ah ja, das ist ein Kantholz, das auf zwei schmalen weiteren Holzstückchen ruht. Das Prizip des Xylophons! - Ein etwas empfindlicheres Instrument dieser Art hat Thomas aus einem handelsüblichen Plastikrohr, zwei Holzfüßchen von irgendeinem alten Haushaltsgegenstand, ein wenig Kunststoffleine (wie sie ebenfalls oft am Strand zu finden ist), verschieden langen Hartholz-Plättchen und ein wenig Kleber selbst gebaut.

Die gegen Witterung etwas empfindlicheren Instrumente kommen regelmäßig am Montag im HUB-Café zum Einsatz. Hier trifft sich regelmäßig der Drumming-Workshop, aus dem sich für öffentliche Vorführungen in wechselnder Besetzung die Gruppe "Bang On" formiert. Neben "richtigen" Instrumenten wie den unten abgebildeten Congas, Schellen, Glocken oder auch mal einem Banjo, dem irischen Bodhràn und jeder Menge afrikanischer, asiatischer oder südamerikanischer (zumeist Schlag-)Instrumente finden sich auch hier Kreationen aus Thomas' schier unerschöpflicher Kreativität. Eines von Jens' Lieblingen ist das auf den beiden unteren Fotos am unteren Bildrand zu sehende grüne Plastikteil mit unbekannter Herkunft; es sieht ein bißchen aus wie die Schreibtisch-Sammelbehälter aus den siebziger Jahren (damals vorzugsweise in orange zu bekommen), ist aber stabiler und ungeheuer vielseitig in der Anwendung. Jede Seite - mit einem Holzklöppel bearbeitet - klingt anders, die Kanten noch einmal; die Hohlräume lassen sich gewinnbringend akustisch nutzen.


Zum Saint Patricks Day hatte sich in diesem Jahr auch "Bang On" gemeldet. Für das Spielen auf der Straße eignen sich viele Instrumente nicht - sie sind einfach zu leise. Ein paar Montag-Sessions im Voraus sucht sich also Jeder das Passende für sich heraus: Pfannen, Kanister, Fahrradglocken, Schellen, oder eben das grüne Plastikteil unbekannter Herkunft... - Hauptsache es macht ordentlich Krach! 
Schade, dass wir keine Aufnahme von unserem Umzug haben; zwölf Leute aus sechs Nationen mischen Ballydehob auf!
Hier zum Abschluss jedoch ein kurzer Ausschnitt unserer üblichen Montag-Vormittag-Session: https://youtu.be/LBcX6ij1HOs