Eine Shannon-Geschichte
Anfang September haben wir etwas für uns sehr ungewöhnliches getan: Wir sind zehn Tage MOTOR-Boot gefahren!
Die Geschichte dazu: Seitdem wir in Irland leben, haben wir unsere Jolle ausschließlich in der Roaring Water Bay und zwei Mal in der Bucht von Glandore gesegelt. Wir wollten aber immer schon einmal wissen, wie es wäre, auf dem Shannon und vor allem auf seinen angrenzenden Seen zu segeln; bevor wir jedoch die Mühen auf uns nehmen würden, die "Godenwind" einen halben Tag oder länger durch Irland zu trailern und dann womöglich enttäuscht zu werden, haben wir unseren - nebenbei bemerkt, ersten richtigen - Irland-Urlaub auf einem kleinen Motorboot der Carlow-Klasse gebucht. Es gibt verschiedene Anbieter für Mietboote über den Shannon verteilt, und der uns passende Start-Punkt wurde Banagher im County Offaly, ziemlich in der Mitte Irlands gelegen.
Dort angekommen, wurden wir kurz in das Boot eingewiesen, inklusive einer Runde unter der beeindruckenden Brücke mit noch beeindruckenderer Strömung hindurch. Danach war uns nach Sofort-Losfahren. Man muss dazu wissen, dass die Boote zwar mit allerlei Komfort ausgestattet sind; aber sie bieten keinerlei Navigationshilfen, nicht einmal die an und für sich vorgeschriebene Beleuchtung. Es war schon gegen Abend, als wir uns trotzdem entschlossen, bis nach Shannonbridge nordwärts zu fahren. Und es wurde tatsächlich bereits dunkel, als wir dort ankamen... Auf dem Weg dorthin stellten wir zudem fest, dass auf dem Fluss ebensowenig beleuchtete Navigationsmarken - zumeist Pfeiler mit roter und grüner Beschilderung - zu finden sind.
Nun, gut - das uns ausgehändigte Kartenmaterial hatte uns davon abgeraten, nach Anbruch der Dunkelheit zu fahren, und wir kamen nicht noch einmal in Versuchung.
Immerhin hatten wir schon einmal ein paar Erkenntnisse für die weitere Reiseplanung gewonnen: 1. Das Boot fuhr nicht sonderlich schnell, maximal vielleicht 6 Knoten durchs Wasser. 2. Vom letzteren führte der Shannon zur Zeit sehr viel, teilweise weit über sein Flussbett hinaus - die erwähnten Pfeiler sollten sich als sehr hilfreich erweisen. 3. Die Strömung war - wie in Flüssen üblich - am Prallhang einer Kurve stärker als am Gleithang. Und der erste Eindruck von der starken Strömung bei der Brücke bei Banagher sollte sich nicht noch einmal bestätigen. Wir schlossen aus den Beobachtungen des ersten Abends, dass wir mit etwa 4 bis 5 Knoten Reisegeschwindigkeit stromaufwärts rechnen konnten. Wir nahmen uns nichts Konkretes als Reiseziel vor, doch insgeheim hofften wir, bis zum Lough Erne kommen zu können.
Doch erst einmal genossen wir die Landschaften am mittleren Shannon-Lauf.
Wie erwähnt, gab es viele überflutete Wiesen, aber auch einige angeschwollene Seitenarme, die zum Befahren einluden; leider unterschieden die uns zur Verfügung stehenden Karten nur zwischen flach (blau gekennzeichnet) und tief genug (weiß). Tipp für den Shannon-Navigator: Ein Garmin-Gerät hat mehr Informationen bereit!
Aber, wir hatten ja genug Wasser zur Verfügung! - Apropos Wasser: Trinkwasser bekommt man fast überall, wo Anlegestellen zu finden sind; wir bevorzugen jedoch gegenüber dem bekannt verchlorten Leitungswasser jenes aus dem Supermarkt - und so deckten wir uns immer wieder neu damit ein.
So auch am zweiten Abend, nach dem längsten Tagespensum der ganzen Reise. Doch der Reihe nach: Kurz nach Shannonbridge kommt man zum wahrscheinlich bekanntesten Ort am Shannon - der frühchristlichen Klosteranlage von Clonmacnoise. Dort blieben wir jedoch nur für eine Frühstückspause; die Besichtigung wollten wir uns für die Rückfahrt aufsparen. Stattdessen tuckerten wir weiter flussaufwärts; wir waren gespannt auf unseren ersten See, den Lough Ree! Vorher mussten wir jedoch unsere erste Schleuse hinter uns bringen, die bei Athlone, dem geografischen Mittelpunkt Irlands wartete; die Stadt interessierte uns nicht sonderlich, und nur wenig später waren wir auf dem See... den wir jedoch kurz darauf wir verließen; wir hatten auf der Karte im äußersten Südosten des Sees ein Anhängsel entdeckt, das Lough Killnure - und dort ein weiteres Anhängsel, das Coosan Lough. Auf der Karte sah die Einfahrt dort hinein recht schmal aus - und... das ist sie auch! Zu beiden Seiten trennten uns bei der Einfahrt kein ganzer Meter vom Ufer oder dem dichten Bewuchs mit Wasserpflanzen.
Nach einer Mittagspause vor Anker verließen wir die Bucht wieder, und nun ging es wirklich auf den See hinaus. Zum Segeln scheint er uns übrigens optimal geeignet; keine hohen Berge rundherum beeinflussen das Mikroklima, und es gibt genug Platz (vermutlich auch auf den als zu flach/blau ausgewiesenen Flächen). Immerhin sahen wir auch einige größere Yachten am Ufer vor Anker liegen - vermutlich mit Hubkiel ausgestattet. Am liebsten war uns aber der Anblick einer Regatta von Holzbooten in der Größe unseres Zugvogels. Die Klasse Shannon One Design segelt auf allen drei großen Seen des Shannon, und es gibt sogar eine Regatta vom Lough Ree zum im Süden liegenden Lough Derg!
Wir zogen weiter gen Norden, und nach 64 Tageskilometern hatten wir den Norden des Lough Ree erreicht. Übernachtet haben wir dann im Hafen von Ballyleague. Das interessanteste, was man über diesen Ort sagen kann: Am Westufer des Shannon liegend, gehört er zum County Roscommon und zur Provinz Connacht. Gleichzeitig gehört er als Stadtteil zum am östlichen Ufer liegenden Ort Lanesborough - welcher wiederum nicht nur zu einem anderen County (Longford) und einer anderen Provinz (Leinster) gehört, sondern zudem eine getrennte römisch-katholische Diözese und ebenso getrennte römisch-katholische Gemeinde aufweist.
Schon am nächsten Tag sollten wir in einem anderen County übernachten - in Leitrim, genauer in Carrick-on-Shannon. Hier waren wir das erste Mal zu Essen Abends aus - im Hotel "Bush"; wir empfehlen jedem Irland-Reisenden, das Dinner in einem angestammten Hotel einzunehmen, und auch dieses Mal wurden wir wieder nicht enttäuscht.
Wenn es überhaupt etwas zu meckern gibt, dann es doch immer das Wetter; aber eigentlich konnten wir uns nicht beklagen: Es war nicht zu heiß, nicht zu nass, nicht zu kalt, und auch nicht zu windig. Aber ein bißchen mehr Altweibersommer hätte es inzwischen schon einmal sein können. Wenigstens waren wir vor allen Unbilden geschützt; das Steuerhaus erwies sich meistens als sehr praktisch, - nur morgens konnten wir ab und zu schlecht durch die beschlagenen Scheiben sehen. Am vierten Tag jedoch mussten wir das schützende Steuerhaus öfter verlassen - insgesamt 9 Schleusen waren zu passieren; es hätten auch noch ein, zwei mehr werden können - doch dazu waren wir einfach zu spät losgefahren. Das besondere an diesen Schleusen: Wir mussten sie selbst bedienen!
An den Ufern des Shannon - oder wie hier - des Boyle Rivers zum See hinauf (dieses Mal nur eine Schleuse, vom Wärter bedient) finden sich einige Golfplätze. Zivilisation kommt nicht nur in Form der durchfahrenen Orte, (niedrigen) Brücken und Schleusen vor. Überwiegen tun aber doch die flachen Wiesen und Weiden. So manches ruft Erinnerungen wach an Norddeutschland und seine Wasserläufe. Wir fühlten uns erinnert an Elbe-Nebenfahrwasser, an Este, Springe, Stör oder auch Finkenwerder. Anderorts könnte man eine bisher unentdeckte Stelle an der Schlei oder der Flensburger Förde vermuten.
Wenig später fanden wir es heraus: Der Aussichtsturm wurde gebaut, als das an seiner Stelle ursprünglich stehendes Estate abgerissen werden musste. Heute ist das Monstrum das Zentrum des Lough Key Forest Parks, den wir für Waldspaziergänge unbedingt empfehlen können.
Mit der Entspannung war es am Anfang der Rückfahrt für einen Moment vorbei: Plötzlich piept es entsetzlich laut in unserem Boot! Die Maschine ist scheinbar überhitzt, und das Warnsignal soll uns davor bewahren, noch zusätzlich Fehler zu begehen. Wir erklären den zum Glück nach kurzer Zeit ersterbenden Krach damit, dass wir nach dem Ablegen und Einbiegen in den reißenden Strom des Suck zu früh Gas gegeben haben. Das hätte auch noch gefehlt, an einem so sonnigen Tag! - Und an einem, an dem wir noch weit kommen wollten. Unser Ziel war der Lough Derg, über 50 Kilometer entfernt.
Immerhin bewegten wir uns heute nicht nur in drei verschiedenen Countys (Galway, Offaly und Tipperary), sondern auch in drei verschiedenen Provinzen: Zu Connacht im Nordwesten und Leinster im Osten kam jetzt unsere Heimatprovinz Munster hinzu. Einzig Ulster hatten wir auf unserer Reise knapp verpasst. Von den 23 irischen Couties hatten wir mit 7 knapp ein Drittel besucht - potentiell kann man auf den Flüssen und Kanälen zwischen Atlantikküste (Shannonmündung zwischen den Counties Clare und Limerick, Erne-Mündung im County Donegal, Bann-Mündung im County Londonderry), der Irischen See (entweder in den nordirischen Belfast oder Newry sowie in Dublin) und der keltischen See bei Waterford bis auf wenige fast alle Counties durchfahren.
Im Vordergrund die Barge einer Londonerin, die seit 8 Jahren mit ihren beiden Golden Retrievern auf dem Wasser lebt. |
Zu unserer Charterbasis mussten wir ersten am übernächsten Morgen zurück, und so entschlossen wir uns - nach einem sonnigen Waldspaziergang und einem Kaffee im Schlossgarten - die Nacht ein kleines Stück nördlich von Banagher zu verbringen. Die Rechenaufgaben des Vortages ergaben, dass wir mit der Brückenöffnung um 15 Uhr auch gegen den Strom unser Ziel noch vor Dunkelheit erreichen würden. Womit wir allerdings überhaupt nicht gerechnet hatten, war der uns begleitende Dauerregen am Nachmittag. Egal - wir saßen ja in unserem geschützten Steuerhaus. - Viele andere Charterboote sind mit zwei Steuerständen ausgerüstet - und uns erstaunte immer wieder, dass bei Wind und Wetter fast ausschließlich im Freien gesteuert wurde... wahrscheinlich müssen die alle erst mal ein paar Dutzend Segelsaisons auf Nord- und Ostsee hinter sich bringen, bevor sie die Annehmlichkeiten des Unter-Deck-Steuerns so richtig zu schätzen wissen.😄